Der «Green-Deal» der EU erklärt

Die neue EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen legt einen Umwelt- und Klimaschutz-Plan vor, der zum Ziel hat, dass die EU bis 2050 klimaneutral ist.

Was ist der «Green-Deal» der Europäischen Kommission?

Damit Europa als Kontinent bis 2050 nicht mehr Co2-Emmissionen ausstösst als er kompensieren kann, will die EU-Kommission all ihre politischen Ziele diesem übergeordneten Klimaziel unterordnen.

Die Massnahmen sind sehr breit ausgelegt. Sie reichen von der Aufforstung des Kontinents über die Ausweitung des Co2-Emissions-Handelssystems, eine Neudefinition der Energie-Politik, eine ökologische Ausrichtung der Landwirtschaft bis zur Vermeidung von Abfällen und den Ausbau des europäischen Bahnnetzes und die Förderung von klimaneutralen Anlagen im Finanzsektor.

Der Plan erfordert gigantische Investitionen aus dem EU-Haushalt, von den Mitgliedsstaaten, Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union.

Das ist der «Deal»: Regionen, Bürger und Wirtschaftssektoren sollen mit finanziellen Anreizen auf das Erreichen der ökologischen Ziele verpflichtet werden.

Der «Green-Deal» ist also nicht mehr als ein Arbeitsprogramm der EU-Kommission, wie sie die Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden zehn bis 15 Jahren nachhaltig um-orientieren will.

EU-Kommissions-Präsidentin von der Leyen schreibt (in der FAZ) von einem «grünen Faden, der sich durch alle unsere Politikfelder ziehen wird (Le Monde)».

Woher kommt das Geld für die hohen Investitionen, die der «Green-Deal» erfordert?

Damit die eigentliche Kehrtwende in der Umwelt- und Klimapolitik der EU von der Gesellschaft mitgetragen wird, soll dieser Umbau sozialverträglich sein. Das heisst, dass Regionen mit Industrien, die heute hohe Emissionen verursachen, dafür entschädigt werden sollen, dass sie ihre regionale Wirtschaft radikal umbauen müssen.

Die EU schlägt vor, das mittels eines «Just Transition Mechanism» zu finanzieren.

Dieser stützt sich auf drei Säulen:

  • Gelder aus dem bisherigen Kohäsionsfonds sollen neu “grün” ausgerichtet werden: Bauern sollen entschädigt werden, dass sie wegen der Umstellung auf Bio-Landwirtschaft einen Teil ihres Einkommen verlieren; strukturschwache Regionen mit Industrien, die nicht klimaneutral produzieren können, werden unterstützt, Teile ihrer regionalen Wirtschaft neu zu orientieren etc.
  • Das in der Finanzkrise lancierte Investitionsprogramm InvestEU (der ehemalige Juncker-Plan) wird auf das Erreichen der Ziele des «Green-Deals» fokussiert. Die Logik dahinter: Dank der Absicherung von Kreditentscheiden der Europäischen Investitionsbank (EIB) mit Steuergeldern, kann diese risikoreichere Projekte im Bereich Umwelt- und Klimaschutz unterstützen.
  • Die Europäische Investitions-Bank soll eine Art “Klima-Bank” werden, die private Investitionen im Beriech Klima- und Umweltschutz im grossen Stil ankurbeln hilft.

Wie gross ist die Gefahr, dass der «Green-Deal» wegen grosser politischer Differenzen gar nicht umgesetzt werden kann?

Diese Gefahr ist sehr gross.

Alle Anpassungen von bestehenden EU-Gesetzen, welche Steuern betreffen, müssen einstimmig von allen Mitgliedstaaten beschlossen werden. Wenn ein Land keine Steuern auf Flugtickets will, oder Steuern auf Schweröl für Kreuzfahrschiffe ablehnt, kann es Teile des «Green-Deals» blockieren.

Einige Länder (Polen, Ungarn, Tschechien) behalten sich sogar ein Veto vor, das eigentliche Ziel der “Klimaneutralität bis 2050” in für alle bindendes EU-Recht zu fassen.

Auch in Bereichen, in denen der Rat der Mitgliedsstaaten ‘nur’ nach dem Mehrheitsprinzip abstimmt, droht der klimapolitische Arbeitsplan der EU-Kommission zu scheitern. Die Neuorientierung der Landwirtschaft auf ökologische Kriterien etwa wird von vielen Mitgliedsländern abgelehnt.

Regionen, die heute viel Geld aus dem Strukturfonds (EU-Kohäsionsfonds) erhalten, befürchten, dass eine Neuorientierung dieses Fonds eine Kürzung der bisher ausbezahlten Gelder bedeutet.

Die finanziellen Begehrlichkeiten sind überall sehr gross und die Bereitschaft, eigene Interessen zurückzustellen im Sinne des gesamteuropäischen Gemeinwohls waren in der Vergangenheit eher klein.

Darum ist der «Green-Deal» alles andere als eine beschlossene Sache.