Mit oder ohne EuGH? Falsche Hoffnung auf das Königreich in der Schweiz

Die aktuelle Regierung des Vereinigten Königreichs tut sich bekanntlich schwer mit der Umsetzung der internationalen Verträge, welche dieselbe mit der Europäischen Union ausgehandelt, unterschrieben und im Parlament ratifiziert hat.

Stein des Anstosses ist unter anderem das Nord-Irland-Protokoll. Die aktuelle konservative Regierung von Boris Johnson will neu verhandeln mit der EU und alle Möglichkeiten aus dem Vertragstext streichen, im Fall eines Rechtsstreits, dem Europäischen Gerichtshof die abschliessende Auslegung von EU-Recht zu überlassen.

Im Austrittsabkommen (nur um dieses geht es; das Handelsabkommen zwischen EU und UK ist ein Freihandelsabkommen ohne Einbezug des EuGH) sieht der Streitschlichtungsmechanismus fest, dass als oberstes Gericht nur der EuGH EU-Recht auslegen kann.

Unter welchen Voraussetzungen wäre die EU bereit, in dieser Frage UK entgegen zu kommen mit alternativen Prozessen ohne EuGH?

Ranghohe EU-Diplomaten sagen, dass die EU in dieser Frage nie wird nachgeben können. Die Begründung ist interessant, insbesondere für Schweizer Ohren.

Sie verweisen auf die Grundstruktur des Austrittsvertrags. In diesem sind lange Listen von Verweisen auf geltende EU-Gesetze enthalten, die rechtsverbindlich sind im Zusammenhang mit dem internationalen Vertrag.

Vereinfacht gesagt: Damit das Vertragswerk nicht endlos wird und nicht alle betroffenen EU-Gesetze in einem Anhang beigelegt werden müssen, werden nur die Referenzen darin aufgenommen.

Wenn es also darum geht, diesen internationalen Vertrag rechtliche verbindlich zu beurteilen, gilt es ja auch EU-Gesetze im Zusammenhang mit diesem Vertrag und deren Anwendung rechtlich abschliessend zu würdigen. Und das geht nur durch den EuGH.

Artikel 174

Streitigkeiten im Zusammenhang mit Unionsrecht

(1)   Wird in einer zur Schlichtung nach diesem Titel vorgelegten Streitigkeit eine Frage zur Auslegung eines Begriffs des Unionsrechts, eine Frage zur Auslegung einer in diesem Abkommen genannten Bestimmung des Unionsrechts oder eine Frage dazu gestellt, ob das Vereinigte Königreich seinen Verpflichtungen nach Artikel 89 Absatz 2 nachgekommen ist, entscheidet das Schiedspanel diese Frage nicht. In diesem Fall ist es verpflichtet, die Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorzulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Zuständigkeit, eine Entscheidung zu erlassen, die für das Schiedspanel bindend ist.

Das Schiedspanel stellt das in Absatz 1 genannte Ersuchen, nachdem es die Parteien angehört hat.

ABKOMMEN über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (2019/C 384 I/01)

Wenn dem nicht so wäre, würde die europäische Rechtsordnung unterwandert, was einige Staaten zwar gerne sehen würden , zum Beispiel Polen oder Ungarn oder einige deutsche Verfassungsrichterinnen. Aus Sicht der EU-Kommission als Hüterin der Verträge ist das aber undenkbar.

Darum sollten sich auch Schweizer Politikerinnen keine Hoffnung machen, dass bei einem Streitschlichtungsmechanismus für die bilateralen Abkommen der Schweiz mit der EU, der EuGH aussen vor bleiben könnte. Die Grundstruktur einiger bilateraler Verträge ist mit dem Austrittsvertrag von UK vergleichbar. Auch diese enthalten direkte Referenzen auf geltendes EU-Recht.

Will die Schweiz das verhindern, dann muss sie dem EWR beitreten… Auch das EWR Gericht (der EFTA Gerichtshof) muss die EuGH Rechtsprechung in seinen Urteilen berücksichtigen. Aber fremde Richter gäbe es nicht, weil die Schweiz auch eine Vertreterin in den EFTA-Gerichtshof entsendet.