Die belgische Regierung macht in der Energiepolitik eine Kehrtwende – eine direkte Folge des Kriegs in der Ukraine.
Das politisch breit abgestützte Regierungsbündnis will nicht mehr aus der Atomkraft aussteigen. Der Vorschlag machte ausgerechnet die grüne Energie-Ministerin.
Der Plan A ist 20 Jahre alt. Er sah vor, dass die sieben Atomkraftwerke in Belgien bis 2025 vom Netz genommen werden. Fünf AKW wurden bereits stillgelegt.
Die Stromlücke schliessen die Regierung mit neuen Gaskraftwerke schliessen wollen.
Dieser Plan wird nicht umgesetzt.
Neu gilt Plan B. Gestern hat ihn die flämische Energie-Ministerin Tinne van der Straeten dem Regierungskollegium vorgestellt. Noch diese Woche soll das Regierungsbündnis beschliessen, die Betriebs-Bewilligung der letzten beiden AKWs um zehn Jahre zu verlängern.
Das ist bemerkenswert, weil van der Straeten der Grünen Partei angehört. Die Grünen machten ihre Regierungsbeteiligung davon abhängig, aus der Atomkraft auszusteigen. Um diesen Deal abzusichern, schickten die flämischen Grünen extra van der Straeten in die Regierung. Sie gilt als die kompetenteste belgische Politikerin in Energie-Fragen.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine, schafft in Ihren Augen völlig neue Voraussetzungen.
Oberste Priorität hat für die Energie-Ministerin nun, sich von Gas und Öl-Lieferungen aus Russland unabhängig zu machen. In belgischen Leitungen fliessen zwar nur zwischen fünf und zehn Prozent russisches Gas. Egal, es gehe um den Grundsatz.
Plan B wird darum neu definiert: Neu ist er ein Masterplan für den Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern.
Jedes Jahr soll die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl sinken.
Milliarden Euro werden umgelenkt, um die Off-shore-Windparks im Ärmelkanal zu vergrössern. Die Mehrwertsteuern auf Solar-Panels werden massiv gesenkt. Ticketpreise für die belgische Eisenbahn reduziert. Wer sein Auto stehen lässt und aufs Velo umsteigt, zahlt künftig weniger Steuern in Belgien.
Das wäre klassische Grüne Energie- und Verkehrspolitik. Weil das aber nicht ausreicht, die Wende zu schaffen, springen die Grünen in Belgien über ihren Schatten: Nicht Gas, wie ursprünglich angedacht, sondern die Atomkraft soll eine Brückentechnologie sein, bis 100% Alternative Energie im belgischen Stromnetz fliesst.
Der Krieg in der Ukraine stellt bei den belgischen Grünen alte Denkmuster auf den Kopf.