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Analyse: Die EU-Staaten setzen auf mehr Marktwirtschaft in der Klimapolitik

Die Energie- und Umweltminister der Europäischen Union haben in der Nacht
von Dienstag auf Mittwoch viele Beobachterinnen in der Klimapolitik positiv überrascht.

Die wichtigsten Beschlüsse in einer Übersicht.

Sie nehmen den Klimaschutz ernster als das Europäische Parlament. Und die EU-Mitgliedsstaaten setzen bei diesem selbst-auferlegten Anspruch auf mehr Klimaschutz eher auf marktwirtschaftliche Instrumente als auf staatliche Bevormundung.

In der Öffentlichkeit wird gefeiert, dass die 27 EU-Staaten vom Versprechen nicht
abrücken wollten, Autos und kleine Lieferwagen, die mit Benzin oder Diesel fahren,
mittelfristig auf den Schrottplatz zu lenken.

Wer ab 2035 einen neuen Wagen kauft, wird für teures Geld ein Elektroauto kaufen müssen.
Gut so, wer den Klimaschutz ernst nimmt.

Der Verkehr fährt nämlich seit Jahren in die falsche Richtung. Der Anteil der Co2-Emissionen sinkt nicht, sondern liegt immer noch bei rund 20 Prozent.
Die fetten Lettern im Titel von Medienberichten lenken aber von der Sache ab.

Viel entscheidender für den Klimaschutz waren andere Kompromisse im Rat der EU-Länder.
Das absehbare Ende des Benzinautos ab 2035 war nämlich völlig unbestritten.

Heiss umkämpft war die Reform des Emissions-Handelssystems der EU. Und da zeigte
sich die politisch neu aufgestellte deutsche Regierung als treibende Kraft in der EU.

Twitter Erklärungen vom ehemaligen EU-Parlamentarier der Grünen

ETS Version 2.0 wird nämlich ausgeweitet und schliesst künftig den Verkehr und die Treibhausgas-Emissionen von Gebäuden mit ein.
ETS Version 1.0 hat offenbart, dass das System funktioniert, tatsächlich nur dort
funktioniert, wo es teuer wird, wenn Worten nicht auch Taten folgen.

Unternehmen haben mit Blick auf ihre Aktionäre wenig Freude an staatlichen Zwangsmassnahmen, die höhere Investitionen fordern, deren Renditen das Gemeinwohl einstreichen können, nicht die Anteilseignerinnen.

Intelligente, marktwirtschaftlich orientierte Klimapolitik verlangt aber genau das.

Es ist aus der Sicht von Unternehmen die zweitbeste Lösung. Also reduzieren in
den Sektoren, die von ETS Version 1.0 erfasst wurden, Unternehmen ihre CO2-Emissionen.

Die Automobilbranche gab Gegensteuer und fuhr in eine Sackgasse, verkaufte immer bulligere Wagen mit höheren Emissionen. Selber schuld, wenn sie heute gezwungen wird, in eine andere Richtung zu fahren.

Richtig, wenn die EU-Staaten den Verkehr nun ETS 2.0 unterstellen.

Das provoziert steigende Transportkosten. Auch Billig-Vielflieger ärgert das.
Umdenken ist hoffentlich die Folge. Gleiches gilt für den Gebäudesektor.

Verstörend, dass das EU-Parlament, diesen Weg nicht gehen wollte. Die nun folgenden
Kompromiss-Verhandlungen erlauben Nachbesserung. Verstörend auch, dass das EU-Parlament, soziale Ausgleichsmassnahmen beschloss, ohne dafür zu sorgen, dass sie bezahlbar bleiben.

Auch da haben die EU-Staaten glücklicherweise korrigierend eingegriffen.

Die deutsche Regierung, wo liberal denkende Grüne federführend sind im Dossier, haben zahlreiche andere EU-Staaten mit guten Argumenten überzeugen können.

Der Klimafonds steht nun dank ETS 2.0 auf einem solideren finanziellen Fundament.
Dieser hilft einkommensschwachen Bevölkerungsteilen in wirtschaftlich
labileren Ländern, die absehbar steigenden Energiekosten zu tragen und den
Umstieg auf alternative Heizsystem und Solarstrom zu beschleunigen.

In ein paar Wochen werden wir erkennen können, ob die EU-Staaten und das
EU-Parlament einen gemeinsamen Nenner finden in der Klimapolitik. Wenn
das gelingt, dann ist das ein historischer Moment.

Und dann sollten beide wieder auf die jugendlichen Klimaaktivisten hören.
Denn trotz historisch bedeutsamen Entscheidungen in der Klimapolitik, bleiben
die selbst auferlegten Versprechen im Pariser Klimaabkommen immer noch unerfüllt.

Das alles reicht noch nicht, die Erderwärmung auf ein für das Gemeinwohl
erträgliches Mass zu reduzieren. Hierfür wäre noch einmal ein Sonder-Effort in der Politik nötig.