Güterverkehr auf Wasserwegen: Gut fürs Klima, aber vom Klimawandel bedroht

Drei Viertel alle Güter werden in der Europäischen Union auf der Strasse transportiert, nur sechs Prozent auf Wasserwegen.

Wenn der Güterverkehr seine klimaschädigenden Co2-Emissionen reduzieren will, muss sich das ändern. In den Benelux-Staaten und Nordfrankreich werden darum die historischen Wasserstrassen modernisiert, mit dem Ziel in den kommenden Jahren den Gütertransport von der Strasse aufs Wasser zu verlagern.

Europas Binnenschifffahrt: Mit voller Kraft zurück ins Mittelalter, Radio SRF, 1. Oktober 2022

Die Förderung der Binnenschifffahrt ist eine mögliche Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. Gleichzeitig gefährdet der Klimawandel aber diese Transportwege.

Das fein verzweigte und weitläufige System von Kanälen, über Jahrhunderte ausgebaut, ist ein äusserst sensibles Gesamt-System, das vielen Ansprüchen genügen muss. Keiner weiss das besser als Patrick Willems, Professor für Hydrologie an der Universität Leuven im belgischen Flandern.

Er verweist auf den Albertkanal, der Antwerpen mit Lüttich im Süden von Belgien verbindet. Das ist nicht nur die wichtigste Binnen-Wasserstrasse Belgiens, sondern auch das wichtige Reservoir für Trinkwasser. 40 Prozent der Versorgung sei an den Wasserstand im Albert-Kanal gekoppelt, so Patrick Willems.

“40% – das ist ein enorm hoher Wert. Kommt dazu, dass die chemische Industrie in Antwerpen ebenfalls aus dem Albertkanal viel Kühlwasser abschöpft.”

Lange Trockenperioden wie diesen Sommer legen die Zielkonflikte offen. Sinkt der Pegelstand im Albertkanal, weil Trink- oder Kühlwasser benötigt wird, leidet die Binnenschifffahrt. Frachter konnten nur zur Hälfte beladen werden oder gar nicht fahren.

Eigentlich gäbe es einen Plan, das flämische Kanalsystem klimaresistenter zu machen, den Sigmaplan. Milliarden Euro wurden investiert zum Beispiel für ein Pumpwerk, das den Pegelstand regulieren sollte. Weil das Wetter aber immer verrückter spielt, sind immer wieder neue, teure Anpassungen am Sigmaplan nötig, erklärt Patrick Willems.

“Wegen des Klimawandels sind starke Regenfälle und lange Trockenperioden häufiger. Das setzt dem Kanalsystem und der Binnen-Schifffahrt stark zu.”

Es braucht mehr Hochwasserschutz zum Schutz von Siedlungen. Es braucht mehr Überschwemmungsgebiete auf Kosten von Landwirtschaftsflächen und mehr Feuchtgebiete als Puffer, welche Tiere und Pflanzen entlang der Kanäle schützen. Das limitiert das Potenzial für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse aufs Wasser, meint Willems.

“Unbestritten; wir müssen viel Verkehr von der Strasse aufs Wasser verlagern, um den Klimawandel aufzuhalten. Gleichzeitig ist der Klimawandel die grösste Bedrohung für die Binnenschifffahrt.”

Der Canal Seine-Nord Europe soll das Wasserstrassen-Netz noch attraktiver machen.

Belgien hat gleich viel Wasserstrassen wie Autobahnen. Damit diese besser genutzt werden können, seien mehr Anpassungen an den Klimawandel nötig, sagt der Professor an der Uni Leuven.

Es fehle in der Politik nicht am Bewusstsein, aber an konkreten Massnahmen, die Wasserstrassen zu schützen.