Dänemarks Mette Frederiksen und Ukraine Präsident Selenski am EU Gipfel.

Die EU rüstet militärisch und politisch auf

Jede Entscheidung hat ihre symbolische Bedeutung.

Das dänische Parlament hat mit einer breiten Mehrheit für einen Beitritt des Landes zur Europäischen Verteidigungsagentur gestimmt. Dänemark war das einzige EU-Land, das dieser 2004 gegründeten Koordinierungsstelle für Verteidigungszusammenarbeit in Europa nicht angehörte.

Ausserdem will Dänemark künftig an der Kooperationsplattform Pesco teilnehmen, über die gemeinsame Militärprojekte von EU-Staaten organisiert werden.

Am gleichen Tag geben die 27 EU-Staats- und Regierungschefs grünes Licht für ein breit aufgelegtes Aufrüstungsprogramm, bei welchem die Europäische Verteidigungsagentur eine zentrale Rolle spielen wird.

Die EU-Staaten versprechen, gemeinsam Munitions-Granaten zu beschaffen – eine Million Stück im kommenden Jahr – , um diese anschliessend an die Ukraine weiterzuleiten.

Die Premierministerin von Estland, Kaja Kallas, hatte vor rund einem Monat ein solches Munitionsbeschaffungs-Programm laut eingefordert und stiess damit bei einer grossen Mehrheit der EU-Staaten auf offene Ohren.

Der ukrainische Präsident Selenski richtet bei jeder Gelegenheit diese Forderung an alle EU-Staaten.

Es ist alles andere als selbstverständlich, dass die EU-Staaten so rasch und so konsequent diesem Anliegen entsprechen.

Quelle: SRF, Echo der Zeit, 20. März 2023

Gewiss, die gemeinsame Beschaffung von Gesichtsmasken, Beatmungsgeräten und Impfstoffen konnte als Vorbild dienen, dass gruppiertes Einkaufen in der EU von Vorteil sein kann.

Aber in Sicher- und Verteidigungsfragen tun sich die EU-Staaten in der Regel wesentlich schwerer. Wer, wie viel Munition in seinen Beständen hat ist ein gut gehütetes Staatsgeheimnis, das kein Staat zu teilen gewillt ist.

Nun legt die EU aber ein Aufrüstungsprogramm auf, das die bisher auf Friedenszeiten ausgelegten Produktionsprozesse umkrempelt.

Erstens vergütet die EU jene Mitgliedstaaten mit insgesamt einer Milliarde Euro, die so schnell wie möglich aus ihren Beständen Munition in die Ukraine liefern.

Gleichzeitig wird für eine weitere Milliarde Euro neue Munition bei den europäischen Waffenfabriken bestellt als Ersatz. Die Koordination übernimmt dabei die erwähnte Europäischen Verteidigungsagentur. 18 EU-Staaten wollen sich auf diese Weise absprechen und künftig gemeinsam einkaufen.

Drittens unterstützt die EU-Kommission rund ein gutes Dutzend Waffenfabriken in Europa, die Produktionskapazitäten schnell und nachhaltig zu erhöhen. Der für die Industriepolitik zuständige EU-Kommissar reist wie zu Pandemiezeiten aktuell quer durch Europa, identifiziert Engpässe in den Lieferketten und koordiniert die Beschaffung von Rohstoffen für die Produktion.

Politisch ist also in der EU in Sachen Aufrüstung in kurzer Zeit einiges in Bewegung gekommen, das vor ein paar Monaten noch undenkbar war.

Der Realität ist bekanntlich komplexer. Es werden erste Stimmen laut, die warnen, dass politischer Wille wenig hilft, wenn es darum geht, komplexe Beschaffungsprozesse und Produktionsstätten auf einen maximalen Output umzupolen. Schliesslich sahen sich dieselben Rüstungskonzerne bis vor kurzen mit laufend sinkenden Bestellungen konfrontiert.

Dennoch ist das Tempo, das die EU anschlägt, erstaunlich und der Wille, mehr gemeinschaftlich zu koordinieren in Verteidigungsfragen, ist es ebenso bemerkenswert.

Das dänische Parlament hat festgestellt, dass es besser ist, auf diesen fahrenden Zug auf zuspringen, als abseits zu stehen. Die Europäische Union macht heute zwei grosse Schritte mit grosser Symbolkraft.