Die Europäische Staatsanwalt freut sich über Zusammenarbeit mit der Schweiz

Seit knapp zwei Jahren kämpft die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft gegen die international vernetzte Organisierte Kriminalität. Die Kooperation mit der Schweiz ist sehr willkommen.

Andrés Ritter, stellvertretender General-Staatsanwalt in der Europäischen Staatsanwaltschaft in Luxemburg, hatte nicht erwartet, dass seine Behörde so schnell so erfolgreich ermitteln könnte.

Gerade eben lief «Operation Seidenstrasse» ab. Wie am Schnürchen.

Zöllner, Polizistinnen, Staatsanwältinnen aus Belgien durchsuchten zusammen mit ihren europäischen Kolleginnen gleichzeitig sechs Lagerhäuser im belgischen Hafen Zeebrügge und am Frachtflughafen von Lüttich. Mehrere Personen wurden festgenommen. Sie werden beschuldigt, Importwaren aus China falsch deklariert und an fiktive Händler in Spanien, Frankreich, Deutschland, Polen, Italien und Ungarn weiter geliefert zu haben. In all diesen Ländern wurden Zölle und Mehrwertsteuern unterschlagen. Delikt-summe mehr als 300 Millionen Euro.

Solche komplexen grenzüberschreitenden Ermittlungen zu führen, das könne nur eine Europäische Staatsanwaltschaft, erklärt Andrés Ritter.

«Das Neue ist, dass wir aus einer Behörde heraus ermitteln können. Das macht einen Riesenunterschied aus.»

Langwierige Rechtshilfe-Gesuche entfallen zwischen EU-Staaten.

Mehr als 30 Jahre lang war Andrés Ritter Staatsanwalt in Deutschland und jagte Kriminelle aller Art. Als Europäischer Staatsanwalt hat er neue Facetten seines Berufes entdeckt.

«Inhaltlich unterscheidet sich unsere Arbeit nicht gross von nationalen Ermittlungsbehörden. Als neu geschaffene Organisation haben wir aber ganz neue Möglichkeiten.»

Mehr als tausend europäische Verfahren wurden eröffnet und eine stattliche Zahl schon vor Gericht gebracht. Die Organisierte Kriminalität arbeite schon lange grenzüberschreitend. Endlich könne das nun auch die Strafverfolgung; endlich auf effiziente Weise, so Staatsanwalt Andrés Ritter.

Die europäische Staatsanwaltschaft ist dezentral organisiert. Bisher beteiligen sich 22 EU-Staaten an der Straf-Ermittlungsbehörde. Jedes Land schickt einen Europäischen Staatsanwalt in die Zentrale nach Luxemburg. Zusätzlich arbeiten pro Land zwei oder mehr Europäische Staatsanwälte in ihrem jeweiligen Heimatland.

«Bei den Ermittlungen greifen wir auf die besten Erfahrungen aus allen 22 beteiligten EU-Staaten zurück. Das schafft ein völlig neues Bewusstsein.»

Noch läuft nicht alles rund. Es zeigen sich Unterschiede in einzelnen Staaten, wie europäisches Strafrecht interpretiert wird. Das versuchten kriminelle Organisationen auszunutzen.

Auch scheinen diese einige kriminelle Aktivitäten in nicht beteiligte EU-Länder oder in Drittstaaten wie die Schweiz zu verlagern.

Bei verschiedenen europäischen Verfahren laufen einige Fäden offenbar in der Schweiz zusammen. Die Schweiz konnte aber keine Rechtshilfe gewähren. Es bestand keine Rechtsgrundlage, Rechtshilfegesuche einer europäischen Behörde anzuerkennen. Solche Abkommen gibt es gewöhnlich nur zwischen Staaten.

Per Bundesrats-Beschluss anerkennt die Schweiz nun aber einseitig das Recht der Europäischen Staatsanwaltschaft, ein Rechtshilfegesuch zu stellen.

«Für uns ist die Zusammenarbeit mit der Schweiz sehr wichtig. Wir freuen uns, dass diese Zusammenarbeit nun möglich ist. Es ist uns bewusst: Da steht sehr viel guter Willen seitens der Schweiz dahinter», so Andrés Ritter.

Kürzlich traf er sich in Bern erstmals mit Vertretern der Schweizer Bundesanwaltschaft.

Die Europäische Staatsanwaltschaft kann mit Hilfe der Schweizer Strafverfolgungsbehörden Schlupflöcher schliessen. Die Schweiz als Finanzdrehscheibe gewinnt im Gegenzug an Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die internationale Kriminalität. Eine Kooperation im gegenseitigen Interesse.