China flutet seit Jahren den europäischen Markt mit Solarpanels zu Dumpingpreisen und drängt europäische Hersteller aus dem Markt. Derweilen locken die USA mit enormen Steuererleichterungen europäische Green-Tech-Unternehmen, Produktionsstätten in die USA zu verlagern.
Die Europäische Union sucht daher verzweifelt eine industriepolitische Gegenstrategie, um zumindest in Teilen der Solarbranche einen gewissen Heimatschutz zu gewähren.
Die neue Losung in der EU-Industriepolitik heisst Widerstandsfähigkeit, um die hohe Abhängigkeit von China zu reduzieren. Den Niedergang des Produktionsstandortes Europa wird sich aber kaum aufhalten lassen. Aus gutem Grund.
Dries Ackes Büro liegt in Brüssel gleich gegenüber dem Gebäude der EU-Kommission. An dessen Fassade hängt ein riesiges Werbe-Plakat für grünen Strom aus europäischen Solar-Panels: Re-Power Europe! Der stellvertretende Direktor des Branchenverbands SolarPower Europe blickt sorgenvoll aus dem Fenster.
“Die Frage ist, ob es in 18 Monaten noch europäische Hersteller von Solarpanels gibt”, meint Dries Acke.
Innerhalb von 15 Jahren hat die europäische Solarindustrie fast alles verloren.
Drei von vier Solarmodulen werden aus China importiert. Bei einzelnen Komponenten liegt der Marktanteil chinesischer Hersteller bei nahezu 100 Prozent.
Die Herstellung von Solarzellen ist in China um ein Drittel bis Zweidrittel billiger als in Europa.
Doch diese Entwicklung sei auch von Vorteil für Europa, kommentiert Simone Tagliapietra die chinesische Dominanz. Der Professor für Energiepolitik forscht für die wirtschafts-liberale Denkfabrik Bruegel.
Dank billiger Solarpanels aus China, schaffte die EU schneller als erwartet den Umstieg auf eine nachhaltigere Stromproduktion. Noch nie wurden in Europa mehr Solarpanels ans Stromnetz angeschlossen als in diesem Jahr.
“Billig-Importe von Solarpanels aus China helfen der EU, ihre Klimaziele zu erreichen”, gibt er zu bedenken.
Kehrseite der Entwicklung ist allerdings die enorme Abhängigkeit von China.
Darum will die EU nun in den Markt eingreifen. Die EU-Kommission will den Mitgliedsstaaten vorschreiben, dass bereits in fünf Jahren 40 Prozent der Solar-Panels wieder aus der EU stammen müssen – dank öffentlicher Beschaffung, exklusiv bei europäischen Herstellern.
Dries Acke vom Branchenverband SolarPower Europe glaubt darum an eine Trendwende, an das Ende des steilen Abstiegs der europäischen Solarindustrie:
Die EU brauche eine Rückversicherung, falls die Lieferketten aus China abbrechen würden; das verteuere die Beschaffung, sei aber nötig, so Acke.
Experten halten die politisch motivierte Vorgabe von 40 Prozent Selbstversorgung mit Solar-Technologie Made in Europe für unrealistisch. Für Energie-Experte Simone Tagliapietra zielt diese Art von Industriepolitik ins Leere.
Chinesische Planwirtschaft durch europäische Planwirtschaft zu ersetzen, bringe gar nichts.
Das Problem sei nämlich nicht der Preis der Solarpanels, sondern die Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten. Besser sei es darum, das Risiko zu beschränken, von China mit einem Lieferstopp unter politischem Druck zu geraten.
Die EU sollte lieber Innovationen fördern, anstatt alte Technologien zu subventionieren, meint Tagliapietra.
Sinnvoller sei auch, gezielt Solarmodule zu importieren von Herstellern ausserhalb von China; in Indien zum Beispiel oder anderswo.
Genau das sieht der Plan der EU-Kommission bisher aber nicht vor. Dieser schlägt lieber Milliarden Euro staatlicher Subventionen vor.
Es sind nun die EU-Staaten und das neu gewählte EU-Parlament, welche Alternativen zum Vorschlag der Kommission ausarbeiten können, um die problematische Abhängigkeit von China zu reduzieren.
Gut möglich, dass dies gelingt, denn viele EU-Länder müssen ihre Ausgaben zurückfahren, um Schulden zu tilgen. Es ist der falsche Zeitpunkt, um mit viel Geld die europäische Solarbranche künstlich am Leben zu erhalten.
Was in Europa fehlt, sind Mitarbeitende, die chinesische Solarmodule massenhaft installieren. Deren Ausbildungskosten könnte die EU-Kommission ja übernehmen…