Knotenpunkt-System: Velotouren planen wie einst in Minenstollen

In den flämischen Steinkohleminen fanden Mineure dank eines Knotenpunkt-Systems ihren Weg durch die Stollen. Heute lassen sich damit Radtouren planen.

Die Demonstration, dass es nirgends einfacher ist als in Flandern eine kleine Tour auf zwei Rädern zu planen, beginnt mitten im Naturreservat, am Provinz-Bahnhof von Bokrijk. Es liegt im Nordosten von Belgien in Richtung niederländische Grenze.

Der Start der Velotour liegt bei Knotenpunkt 243. Nächste Etappe ist dann der Knotenpunkt 91. Der liegt 1’850 Meter weiter an der nächsten Wegkreuzung. Zuerst gerade aus, dann rechts abbiegen. Dann wieder links. Bei jedem Abzweiger steht e
in kleines Schild am Wegrand mit Pfeil in Richtung des nachfolgenden Knotenpunktes.

Vor dem Knotenpunkt 91 wird es spektakulär. Er lässt sich nur mit der Fahrt durch eine Unterwasserbrücke erreichen: Der Radweg führt mitten durch einen Teich.

Die Tour kann man sich auf dem Mobiltelefon zusammenstellen lassen oder auf einer analogen Karte zusammensuchen: Von Ausgangspunkt Bokrjik, Knotenpunkt 243 bis an das Ziel, Knotenpunkt 249.

Mitnehmen auf die Tour müssen Radler dann nur einen kleinen Handzettel: Darauf steht die Reihenfolge der anzufahrenden Knotenpunkte: Von 243 nach 91 radeln, dann zu 92, 71, weiter bis 79, rechts abbiegen bis 74, dann 548, 73, 72 und schliesslich 249: das Ziel, Bahnhof Genk.

Das Besondere an dieser Zahlenreihe: Sie folgen dem ersten Velo-Knotenpunkt-System der Welt. Erfunden hat dieses der Belgier Hugo Bollen, ursprünglich ein Minen-Ingenieur in der Steinkohlemine Genk.

Als seine Mine 1988 stillgelegt wurde, suchte Bollen nach einer Beschäftigung als Frühpensionierter. Er fuhr gerne Velo und holte das Knotenpunkt-System gewissermassen von ‘unter Tag’ an die Erdoberfläche. Bollen wusste nämlich, dass sich Mineure einst anhand eines Knotenpunkt-Systems orientierten und so ihre weitverzweigten Wege durch dunkle Stollen fanden. Jede Wegkreuzung trägt eine Nummer.

In Flandern fehlt es bekanntlich nicht an Radwegen. Also entwickelte Hugo Bollen das Velo-Knotenpunkt-System wie ein Minenstollen-System. Die alte Minenregion Limburg erkannt das Potenzial für Touristen und baute das Knotenpunkt-System über die ganze Provinz aus. Das Netz wurde immer weiter ausgelegt.

Ein weitverzweigtes Knotenpunktsystem

30 Jahre später umfasst es Tausende Knotenpunkte. Es reicht vom nordfranzösischen Dünkirchen, über ganz Belgien und die Niederlande bis weit nach Osten in die Region Bremen in Norddeutschland. Jede Radwegkreuzung ist mit einer Nummer angeschrieben.

Vom Ausgangs-Knotenpunkt 243 lässt sich also beispielsweise auch problemlos eine Radroute finden zum Knotenpunkt 5, im Zentrum von Amsterdam.

Hierfür müsste man beim Knotenpunkt 92 im Naturreservat Bokrjik, anstelle zum Knotenpunkt 71, einfach links abbiegen müssen zum Knotenpunkt 305, dann 300, 316, 308, 309, 274, 5, 248, 247, 245, 241, dann 220, 564, bei 218 scharf links nach 219, dann wieder rechts 33, runter zu 32, 2,96, 95,94,45,91,44,25,56,22…

Beim 44 wäre aber auch 68,62,64,60,71,29,28, dann zurück zu 22 möglich…

Oder dann 15 hoch zu 16, was auch wieder zurück auf die ursprüngliche Route führen würde.

Direkter wäre sogar 12, 14,15,16,18,48,47…

Anschliessend zu den Knotenpunkten 2,39 98,35 ins Zentrum von Utrecht und weiter durchs Polderland 33,31,30,29, 28 fahren…

Aber dann eben 71,63,64,56, nach 5 ins Zentrum von Amsterdam! Einfacher geht es wirklich nicht.