Nun ist die EU wieder da, wo sie nicht sein wollte: Per 1. September schloss Ungarn wegen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie wieder seine Grenzen.
Jedes Land legt nach eigenen Kriterien fest, welche Gebiete als Risikozonen einzustufen sind und erlässt entsprechende Reisebestimmungen und Quarantäne-Vorschriften.
Frankreich und Deutschland, das den EU-Ratsvorsitz inne hat, wollen nun gemeinsam mit der Europäischen Kommission Kriterien festlegen, die im ganzen Schengenraum gelten sollen.
Sie sollen dafür sorgen, dass die Personen-Freizügigkeit innerhalb der EU nur eingeschränkt werden kann, wenn damit nachweislich die Ausbreitung der Pandemie eingedämmt werden kann.
Ungarn geht mit schlechtem Beispiel voran
Etwas überraschend entschied die ungarische Regierung per 1. September Reisen nach Ungarn grundsätzlich zu verbieten.
Die EU-Kommission will gegen das Einreiseverbot Ungarns vorgehen.
Ungarn macht nämlich Ausnahmen für Bürger aus Polen, der Slowakei und Tschechien, die nicht den gleichen Auflagen wie andere EU-Bürger unterliegen.
Ungarns Alleingang irritiert aber noch aus weiteren Gründen.
Über die Sommermonate glänzte Ungarn mit tiefen Infektionszahlen.
Eine Erklärung kann sein, dass Ungarn nur lasch kontrollierte, wieviele Menschen sich mit dem Corona-Virus infizierten. Schliesslich waren ja Sommerferien.
Ungarinnen und Ungarn konnten ohne Einschränkungen nach Kroatien ans Meer fahren, obwohl Kroatien von fast allen anderen EU-Staaten als Risikogebiet eingestuft wurde. Ferienrückkehrer haben in zahlreichen EU-Staaten und auch der Schweiz Quarantäne-Auflagen zu befolgen.
Kaum war die Ferienzeit vorbei, schwenkte auch Ungarn auf diese Linie ein. Gleichzeitig stieg die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle stark an.
Definition von Risikogebieten alles andere als einheitlich
Ein Blick auf die von der Europäischen Koordinationsstelle erhobenen Zahlen zeigt: Ungarn meldete im Sommer keine Zahlen über Neu-Ansteckungen von Eingereisten.
Die Zahl der getesteten Personen ist zudem so tief wie in keinem anderen EU-Land.
Der Vorwurf ist nachvollziehbar, Ungarn habe die Zahl der Infizierten bewusst tief gehalten, um Reiseeinschränkungen für Ungarinnen und Ungarn, die andere Länder beschliessen könnten, zu umgehen.
Das “European Centre for Disease Prevention and Control” erstellt zwar eine EU-weite Übersicht und klassifiziert Risikogebiete nach Farben.
Diese seien aber nur grafischer Natur, weil die Risikogebiete jeweils nach unterschiedlichen Kriterien eingestuft werden.
Bedingt vergleichbar sind nur bestimmte Ländertabellen.
Einzelne EU-Staaten verlangen bei der Einreise zudem einen Beleg für einen negativen Corona-Test. Dieser darf teils nicht weiter zurückliegen als 48 Stunden. Andere Länder geben sich mit 72 Stunden zufrieden.
Genügt ein Test oder sind zwei negative Tests erforderlich? Auch da gibt es keine einheitliche Linie.
Einzelne Länder erheben Risikogebite nach Regionen und differenzieren die Quarantänebestimmungen.
Gelten Infektionszahlen pro 100’000 Einwohner der letzten sieben oder vierzehn Tage als Massstab?
Einheitliche Definition soll Erleichterung für Reisende bringen
Schon heute Mittwoch (2. September) wollen sich die Botschafter der EU treffen, um sich auf gemeinsame Kriterien zu verständigen.
Frankreich forderte diese und erhielt von Deutschland und der EU-Kommission Unterstützung. Weitere Staaten begrüssen den Vorschlag.
Die Diskussion werden aber schwierig werden. Umstritten ist, ob es ein einheitliches Farbensystem zur Anzeige von Corona-Risikogebieten geben soll.
Länder mit leistungsfähigen Gesundheitssystemen könnten die Schwelle nämlich höher ansetzen.
Wer definiert, was ein “leistungsfähiges Gesundheitssystem” ist?
Tourismusregionen mit weniger Bettenkapazitäten in Spitälern fürchten, diskriminiert zu werden.
Die EU-Kommission hofft, bis Ende September einen Konsens finden zu können, der im ganzen Schengenraum gilt.
Auch die Schweiz würde entsprechende Vorgaben wohl autonom nachvollziehen müssen.