In Brüssel bereiten die EU-Minister den EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vor. Diese kommen am Donnerstag zusammen, weil Ungarn -als einziges Land seit Monaten 50 Milliarden Euro Hilfsgelder für die Ukraine blockiert.
Noch sieht es nicht nach einem möglichen Kompromiss aus. Mit jedem Tag steigt der Druck auf die ungarische Regierung. Fast jedes Mittel scheint recht, Ungarn zum Einlenken zu drängen.
Im Rat der Mitgliedsstaaten zirkuliert ein Bericht, der die Schwächen der ungarischen Wirtschaft auflistet. Das könnten sich die Staats- und Regierungschefs zu Nutzen machen, um Druck auf Ungarn auszuüben. Stelle Ungarn nämlich weiter auf Stur am kommenden EU-Gipfel, könnten doch einige EU-Regierungen öffentlich Investoren davon abraten, in Ungarn zu investieren, soll da stehen.
Eine hohe EU-Beamtin bestreitet nicht, dass dieser Bericht vorliegt, will diesen aber nicht als Drohung gegen Ungarn verstanden wissen. Fragt sich, was es denn sonst sein könnte.
Der Bericht zeigt, wie gereizt die Stimmung ist.
Seit Wochen drängen 26 EU-Länder Ungarn zum Einlenken. Ohne Erfolg.
Nur scheinbar macht Ungarn Kompromiss-Vorschläge. Orbans Regierung würde dem mehrjährigen Kredit-Rahmen für die Ukraine zustimmen, falls jedes Jahr neu geprüft würde, ob die Ukraine alle Bedingungen für eine Auszahlung erfüllt.
Logisch will niemand darauf eingehen. Zu durchsichtig ist die Absicht: Ungarn könnte jedes Jahr neu seine Veto-Macht ausspielen.
Es gibt Pläne, den Ukraine-Fonds ausserhalb des EU-Budgets zu schaffen – ohne Ungarn. Das wäre allerdings im Sinne Viktor Orbans. Diesen Sieg will ihm darum niemand gönnen. Und: eine solche Lösung würde die Spaltung der EU offenbaren. Sie würde zudem die Zustimmung von einigen nationalen Parlamenten erfordern. Verzögerungen drohen. Die Ukraine könnte in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Schlechte Option, also.
Auffallend ist, wie nun immer mehr EU-Staaten betonen, dass ihre Geduld ausgereizt sei von Ungarn.
Immer mehr EU-Staaten wünschen sich mehr oder weniger laut eine Abstimmung im Rat über die Frage, ob Ungarn gegen Grundwerte der EU verstösst.
Ungarn verletzt gemäss mehreren Gerichtsurteilen EU-Grundrechte – etwa bei der Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren, von Asylsuchenden oder wegen fehlender Garantien für die Unabhängigkeit von Hochschulen oder der Justiz.
Der Rat der EU-Länder schob bisher aber die politische Entscheidung darüber hinaus, Ungarn zu sanktionieren, Ungarn das Stimmrecht in der EU zu entziehen oder einzuschränken. Diese Option wird nun aber ernsthaft erwogen.
Ungarns Premier pokert hoch.
Bisher bestand in der EU Konsens, politische Differenzen – mögen sie noch so gross sein – mit Kompromissen zu lösen.
Die Frage der finanziellen Unterstützung der Ukraine könnte aber erstmals eine Abkehr von dieser Praxis markieren.
Es steigt nicht allein der Druck auf Ungarn vor dem EU-Sonder-Gipfel, sondern auch auf alle andere EU-Staaten.
Endlich müssen sich die 26 Befürworter der Ukraine-Hilfsgelder nämlich dazu bekennen, welche Prioritäten sie setzen: Soll die EU ein glaubwürdiger Partner der Ukraine sein, oder
akzeptiert die EU in dieser Frage eine Veto-Macht Ungarn in den eigenen Reihen.